Berlin, Deutschland
Von Peter EßER
Im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise sind die Gasspeicher in Deutschland und Europa in den Fokus gerückt. Die Gaseinspeicherung läuft weiter auf Hochtouren. Die Bundesregierung hofft so, eine Gasmangellage im Winter angesichts der ausbleibenden Lieferungen aus Russland zu verhindern.
WIE GROSS SIND DIE KAPAZITÄTEN?
Deutschland verfügt über die größten Gasspeicherkapazitäten in der EU. Mehrere dutzend Anlagen haben ein Gesamtspeichervolumen von über 24 Milliarden Kubikmetern. Laut Bundeswirtschaftsministerium können sie bei vollständiger Auslastung „Deutschland zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate mit Gas versorgen“.
WER IST FÜR DIE GASEINSPEICHERUNG ZUSTÄNDIG?
Der Gasmarkt in Deutschland ist weitgehend liberalisiert. Die Gasspeicher gehören in der Regel privaten Unternehmen. Je größer die Differenz von Einkaufspreis im Sommer und Verkaufspreis im Winter, desto mehr lohnt sich die Einspeicherung für die Unternehmen. Die Behörden hatten lange kaum Möglichkeiten, die Füllstände zu beeinflussen.
Schon kurz nach Beginn des Ukrainekriegs griff die Bundesregierung gesetzgeberisch ein: Das im März verabschiedete Gasspeichergesetz macht den Unternehmen verbindliche Vorgaben. Die darin formulierten Einspeicherziele wurde mittlerweile weiter angehoben; die Gasspeicher sollen zum 1. Oktober mindestens zu 85 Prozent und 1. November zu 95 Prozent gefüllt sein. Am 1. Februar soll der Füllstand noch 40 Prozent betragen.
Zudem startete die Regierung ein eigenes Ankaufprogramm, das mittlerweile abgeschlossen ist. Laut Wirtschaftsministerium wurden 950 Millionen Kubikmeter Erdgas erworben und eingespeichert.
WEITERE MASSNAHMEN
Der Staat unterstützt die Gasimporteure. Der Düsseldorfer Konzern Uniper verfügt auf mehrere Speicher landesweit verteilt über die größten Speicherkapazitäten und erhält umfassende Staatshilfen. Das Unternehmen VNG ist der drittwichtigste Gaseinspeicherer in Deutschland und hat ebenfalls staatliche Unterstützung beantragt. Alle Importeure, die bislang Gas aus Russland bezogen, sollen außerdem von der Gasumlage profitieren. Medienberichten zufolge könnte diese Maßnahme jedoch noch gekippt werden.
Ein weiterer wichtiger Schritt war die Übernahme der Kontrolle des größten Gasspeichers in Deutschland, der für rund ein Sechstel der deutschen Speicherkapazität steht. Die Anlage in Rehden in Niedersachsen gehört der Gazprom-Germania-Gruppe und war im Frühjahr kaum befüllt worden. Seit Anfang April steht das ehemalige Tochterunternehmen des russischen Gasriesen Gazprom unter Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur.
Ähnlich ist die Situation des Gasspeichers in Haidach bei Salzburg. Die Anlage steht zwar in Österreich, wird jedoch größtenteils von Deutschland genutzt und war von Gazprom kaum befüllt worden. Die Regierung in Wien entzog den Speicher der Kontrolle durch den russischen Konzern.
WIE IST AKTUELL DIE LAGE?
Das Ziel für Oktober ist bereits erreicht: Nach aktuellen Daten der europäischen Plattform Gas Infrastructure Europe lag der Füllstand der deutschen Gasspeicher am Sonntag bei gut 90 Prozent. Die Anlage in Rehden ist zu rund 74,6 Prozent gefüllt, die in Haidach zu knapp 70 Prozent. Die Uniper-Gasspeicher sind im Schnitt zu 92,5 Prozent voll, die von VNG zu 96,3 Prozent. Mit sinkenden Temperaturen steigt nun allerdings der Verbrauch. Zudem nimmt die Einspeichergeschwindigkeit bei höheren Füllständen aus technischen Gründen ab.
WOHER KOMMT DAS GAS?
Aus Russland kommt mittlerweile kein Gas mehr in Deutschland an. Wichtigster Gaslieferant ist nun Norwegen, das seine Lieferungen aufgestockt hat. Auch durch Pipelines aus den Niederlande und in kleinerem Umfang Belgien fließt mehr Gas als vorher. Die Niederlande bauen laut Wirtschaftsministerium ihre Anlandekapazitäten für Flüssiggas (LNG) weiter aus und verfügen zudem über Transportkapazitäten, um die Einspeisemengen nach Deutschland weiter zu steigern. Frankreich will „voraussichtlich ab Herbst“ Gas liefern.
Die Bundesregierung setzt außerdem auf eigene Importterminals für Flüssiggas etwa aus den USA. Zum Jahreswechsel sollen die ersten zwei vom Bund gecharterten schwimmenden LNG-Terminals an der Nordseeküste in Betrieb gehen. Ein privat betriebenes LNG-Terminal soll außerdem im Dezember in Lubmin an der Ostsee mit der Einspeisung beginnen. Weitere derartige Projekte werden voraussichtlich erst Ende 2023 fertig.
pe/ilo
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