Titelbild: Smigel, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Köln, Deutschland
Von Hannah RÜDIGER
Über 180 Tote, hunderte Verletzte und kilometerlange Schneisen der Verwüstung: Bei der Hochwasserkatastrophe des vergangenen Jahres wurden innerhalb von wenigen Tagen ganze Existenzen vernichtet. Vor dem nahenden Unwetter wurde früh gewarnt – ob Landes- und Bezirksregierungen rechtzeitig und angemessen reagierten, beschäftigt inzwischen zwei Untersuchungsausschüsse. Eine Chronologie der Ereignisse vom 14. bis zum 16. Juli 2021:
MITTWOCH, 14. JULI
TIEF „BERND“ SORGT FÜR AUSNAHMEZUSTAND
Die Katastrophe beginnt mit Sturm und extremen Regenfällen: Nachdem die Gewitterfront „Bernd“ zunächst tagelang für Chaos in weiten Teilen von Süd- und Ostdeutschland gesorgt hat, erreicht sie auch Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. „Bernd“ sorgt mit unwetterartigen Starkregenfällen für erste Überschwemmungen und vollgelaufene Keller, es kommt zu Zugausfällen. Die Pegel der größeren Ströme steigen auf Rekordniveau, aber auch kleinere Flüsse wie die Ahr oder die Erft schwellen rasant an. Der Deutsche Wetterdienst prognostiziert weiterhin Niederschläge von örtlich bis zu 200 Litern Regen pro Quadratmeter und warnt vor „extrem ergiebigen Dauerregen“.
ERSTE TOTE DURCH UNWETTER
Das erste Todesopfer der Flut wird am Mittwochabend aus Altena im Sauerland gemeldet. Bei einem Rettungseinsatz fällt ein 46 Jahre alter Feuerwehrmann ins Wasser und wird abgetrieben. Er wird kurze Zeit später tot geborgen. Ein weiterer Feuerwehrmann kollabiert zwei Stunden später während eines Einsatzes nahe dem Kraftwerk Elverlingsen. Feuerwehr und Rettungskräfte sind im Dauereinsatz, um Menschen zu retten und nach Vermissten zu suchen. Hagen ruft den Katastrophenfall aus.
DONNERSTAG, 15. JULI
KATASTROPHENFALL IM AHRTAL
Am Morgen des 15. Juli hat das Unwetter Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz immer noch fest im Griff. Besonders betroffen sind die Regionen um die Flüsse Erft und Ahr. In der Nacht ist die Zahl der Menschen, die in den Fluten ums Leben gekommen sind, auf neun gestiegen. Einige von ihnen sind in den Kellern ihrer Wohnhäuser ertrunken.
Im rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler werden ganze Orte durch die Wassermassen von der Außenwelt abgeschnitten. Im besonders betroffenen Ort Schuld stürzen erste Häuser ein. Etwa 50 Menschen retten sich im Ahrtal auf die Dächer ihrer Häuser und warten dort auf Rettung. Der Katastrophenfall wird ausgerufen.
INFRASTRUKTUR KOMMT ZUM ERLIEGEN
Die Unwetterschäden haben massive Auswirkungen auf den Bahnverkehr. Wichtige Fernverkehrsstrecken der Deutschen Bahn sind nur mit erheblichen Einschränkungen befahrbar. Der internationale Fernverkehr zwischen Köln und Brüssel ist unterbrochen. Auch Autobahnen werden durch die Wassermassen streckenweise stark beschädigt. Bei Erftstadt wird eine Autobahn unterspült, das Wasser steht zum Teil 14 Meter hoch.
In vielen Orten sind Kommunikation und Trinkwasserversorgung unterbrochen. Internetzugänge und Telefonverbindungen funktionieren nur eingeschränkt, auch Feuerwehr und Verwaltung sind mancherorts nicht erreichbar. Wegen gestörter Stromnetze müssen Krankenhäuser evakuiert werden.
BUNDESWEHR VERLEGT SOLDATEN NACH HAGEN UND AHRWEILER
Angesichts der schweren Unwetter entsendet das Bundesverteidigungsministerium 300 Soldatinnen und Soldaten zur Unterstützung in die Flutgebiete. 200 Helfer werden ins nordrhein-westfälische Hagen verlegt, hundert weitere ins rheinland-pfälzische Ahrweiler. Hessen schickt 600 Katastrophenschutzmitarbeiter nach Nordrhein-Westfalen. Die Zahl der Toten steigt auf bis zum Abend auf mindestens 59.
FREITAG, 16. JULI
ZAHL DER TOTEN STEIGT SPRUNGHAFT AN
Da viele überflutete Regionen nur schwer zu erreichen sind, dringen auch die Meldungen über die Todesfälle nur langsam nach außen, die Lage bleibt unübersichtlich. Stündlich werden mehr Opfer aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gemeldet. Am Freitagmittag sprechen die Regierungen beider Länder erstmals von hundert Toten, darunter auch zwölf Bewohner eines Behindertenwohnheims in Sinzig, die hilflos ertrinken.
Hunderte Menschen sind verletzt, zahlreiche werden vermisst. In den darauffolgenden Tagen steigt die Zahl der Toten auf über 180. Die Wetterlage entspannte sich erst Tage später. Der Wiederaufbau der zerstörten Regionen, für den Bund und Länder 30 Milliarden Euro bereitstellen, wird noch Jahre in Anspruch nehmen.
ruh/pw
© Agence France-Presse