Das schwere Erdbeben der vergangenen Nacht hat die Türkei nicht von Bombenangriffen auf von Kurden kontrollierte Gebiete in Nordsyrien abgehalten, wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am heutigen Dienstag in Göttingen kritisierte: „Gegen Mitternacht hat die Türkei die von dem Erdbeben erschütterte Region Tal Rifaat angegriffen. In der Region nördlich von Aleppo haben kurdische Vertriebene aus der Region Afrin Zuflucht gefunden“, berichtete der GfbV-Nahost-Experte Dr. Kamal Sido in einer Pressestellungnahme.
„Es ist ein Skandal, dass ein Nato-Staat eine humanitäre Katastrophe mit voller Absicht noch verschärft. Von den anderen Nato-Staaten kommt kein Wort, um das zu kritisieren.“
Verschärft wird die Lage in den Erdbebengebieten durch die jahrelange Blockade der kurdisch kontrollierten Gebiete in Nordsyrien durch die Türkei und ihre westlichen Partner.
„Das gesamte medizinische Versorgungssystem lag durch den anhaltenden Bürgerkrieg und die syrischen und russischen Angriffe bereits in Trümmern. Jetzt haben viele Verletzte keine Chance auf Behandlung“, so Sido.
„Nicht nur Assad verhinderte und verhindert die Versorgung der kurdischen Gebiete. Insbesondere die Türkei hat die Grenzübergänge in die Kurdengebiete Nordsyriens für Hilfslieferungen geschlossen. Die traumatisierten und frierenden Menschen vor Ort tragen nun die Folgen dieser jahrelangen Blockade“.
Auch die deutsche Bundesregierung habe aus Rücksicht auf den NATO-Partner Türkei keine humanitäre Hilfe in die kurdisch besiedelten Gebiete gelassen.
„Diese Tatsache verschweigen die Vertreter der Bundesregierung in ihren Stellungnahmen zum Erdbeben. Fast alle Grenzübergänge im Norden Syriens sind unter türkischer Kontrolle. Sie bräuchte für deren Öffnung keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrates“, führte Sido weiter aus.
„Diese Grenzen waren schon immer offen für islamistische Kämpfer und moderne Waffen. Jetzt müssen endlich auch humanitäre Hilfslieferungen für den Norden Syriens und für ganz Syrien durch die Grenze gelassen werden.“
Dafür müsse sich vor allem auch die deutsche Bundesregierung stark machen. Die Zahl der Toten in Syrien ist nach Angaben der Partnerorganisation Syrian Observatory for Human Rights in Großbritannien (SOHR) auf 1.597 gestiegen.
Besonders betroffen ist die kurdische Kleinstadt Dschindires. Sie liegt westlich der Stadt Afrin. Schwer betroffen ist auch die Stadt Aleppo im Norden Syriens.