Seoul, Südkorea
Titelbild: Fußgänger gehen unter einer großen Videoleinwand, die Bilder von Nordkoreas Führer Kim Jong Un zeigt, während einer Nachrichtensendung in Tokio am 4. Oktober 2022, nachdem Nordkorea am frühen Morgen eine Rakete abgefeuert hatte, die einen Evakuierungsalarm auslöste, als sie über Nordostjapan flog. Nordkorea feuerte am 4. Oktober zum ersten Mal seit fünf Jahren eine ballistische Rakete über Japan ab, was Tokio dazu veranlasste, sein Raketenwarnsystem zu aktivieren und eine seltene Warnung an die Bevölkerung herauszugeben, sich in Sicherheit zu bringen. (Foto: Richard A. Brooks / AFP)
Japan hat nach dem Abschuss einer ballistischen Rakete aus Nordkorea die Bewohner im Nordosten seines Landes zur Evakuierung aufgerufen. „Nordkorea scheint eine Rakete abgeschossen zu haben. Bitte evakuieren Sie sich in Gebäude oder Kellerräume“, teilte die Regierung am Dienstag in einer Warnung mit. Japans Ministerpräsident Fumio Kishida bezeichnete den Vorfall als „Gewaltakt“. Der südkoreanische Generalstab bestätigte die Erhöhung der militärischen Bereitschaft.
Nordkorea habe gegen 07.22 Uhr (00.22 Uhr MESZ) „eine ballistische Rakete in Richtung Osten“ abgefeuert, sagte Japans Regierungssprecher Hirokazu Matsuno vor Journalisten. Die Details würden noch untersucht. Bei dem Abschuss sei jedoch niemand verletzt worden, sagte er.
Das südkoreanische Militär bestätigte den Vorfall. Es teilte mit, „eine mutmaßliche ballistische Mittelstreckenrakete“ entdeckt zu haben, die „aus dem Gebiet Mupyong-Ri in der Provinz Jagang gestartet wurde und in östlicher Richtung über Japan hinwegflog“. Der südkoreanische Generalstab erklärte, das Militär erhalte „die volle Bereitschaft aufrecht, eng mit den USA zusammenzuarbeiten und die Überwachung und Wachsamkeit zu erhöhen“.
Am Dienstagmorgen (Ortszeit) war Japans J-Alert-Raketenwarnsystem aktiviert worden – ein bislang eher seltener Vorgang. Die Warnmeldung wurde auf den Bildschirmen des staatlichen Rundfunksenders NHK angezeigt. NHK meldete, die Warnung gelte für zwei nördliche Regionen des Landes. Die japanische Küstenwache erklärte später, die Rakete sei offenbar bereits über dem Pazifik abgestürzt. Sie warnte Schiffe davor, sich herabfallenden Objekten zu nähern.
Die japanische Regierung verurteilte den nordkoreanischen Raketentest als „Akt der Gewalt“, nachdem „in letzter Zeit wiederholt ballistische Raketen abgeschossen“ worden seien, sagte Japans Regierungschef Fumio Kishida.
„Sollte Pjöngjang eine Rakete über Japan abgefeuert haben, wäre das eine erhebliche Eskalation der jüngsten Provokationen“, sagte Leif-Eric Easley von der Ewha-Universität in Seoul. Dem Politikwissenschaftler zufolge arbeitet die Regierung in Nordkorea an der Entwicklung von Waffen wie „taktischen Nuklearsprengköpfen und U-Boot-gestützten ballistischen Raketen“ als „Teil einer langfristigen Strategie, um Südkorea in einem Wettrüsten auszustechen und Keile zwischen die US-Verbündeten zu treiben“.
Vor wenigen Tagen hatte Nordkorea bereits viermal ballistische Raketen abgefeuert. Wenige Stunden vor dem dritten Raketen-Abschuss hatte US-Vizepräsidentin Kamala Harris den Nachbarstaat Südkorea besucht.
Washington und Seoul sind enge Verbündete. In Südkorea sind rund 28.500 US-Soldaten stationiert. In der vergangenen Woche hielten die südkoreanische und die US-Marine eine großangelegte gemeinsame Militärübung ab. Am Freitag starteten Südkorea, Japan und die USA zudem erstmals seit fünf Jahren Übungen zur U-Bootabwehr.
Südkorea und die USA befürchten, dass Pjöngjang in naher Zukunft erstmals seit 2017 wieder einen Atomwaffentest vornehmen könnte. Südkoreanischen und US-Beamten zufolge könne dies kurz nach dem bevorstehenden Parteikongress Chinas am 16. Oktober geschehen.
Das weitgehend isolierte asiatische Land hat seit 2006 sechs Mal Atomwaffen getestet, zuletzt 2017. In der Folge dieses Atomwaffentests hatte sich der UN-Sicherheitsrat das bislang letzte Mal auf Sanktionen gegen Pjöngjang einigen können.
Nordkorea verfügt nach Diplomatenangaben über Atombomben und ballistische Raketen, hat es demnach aber bislang nicht geschafft, diese beiden Technologien zusammenzuführen.
kas
© Agence France-Presse