Kreuzung zwischen Tupamaros und FDJ
Ein paar unangenehme Wahrheiten für die politische Klasse der 1990er-Jahre kommen ans Tageslicht.
Die Mär, dass die Dienste der Bundesrepublik in den 1980er-Jahren nicht gewusst hätten, dass die Terroristen Unterschlupf in der DDR gefunden hatten, ist schlicht falsch.
Das würde beweisen, dass der Kontakt zwischen der DDR und der RAF nicht erst 1978 zustande kam, folgt man den Unterlagen von zahlreichen Historikern und Journalisten, sondern erheblich früher. Damit erklären sich auch Schießtraining und andere Annehmlichkeiten der Terroristen in den 1970er und 1980er-Jahren des absurden „Objekt 74“ in Briesen.
Eines muss man den noch gesuchten Terroristen (Klette, Garweg, Staub) der dritten Generation der Rote-Armee-Fraktion lassen: Sie sind in der Lage, komplizierte nahezu militärische Aktionen einwandfrei auszuführen und danach wie unsichtbar unterzutauchen. Nun wird der Fahndungsdruck erhöht, anscheinend sind nach Angaben des Präsidenten des LKA Hannover, Friedo de Vries, Zielfahnder unterwegs, „die jeden Stein umdrehen.“
Wie kann man sich das jahrelange Untertauchen vorstellen, werden sich die Leser fragen?
Ein Beispiel von vielen: Wahrscheinlich wurde zum Ende der DDR von einem damals kürzlich verstorbenen Bürger der Deutschen Demokratischen Republik „quasi das Leben“ weitergegeben. Für den Toten wurde kein Totenschein ausgestellt und sein Körper der Forschung vermacht. Das geschah häufiger in der DDR. Somit fiel nicht auf, dass die eigentlichen Personen, die nunmehr im Besitz der Legende waren und sind, überhaupt diese Legende benutzen. Bei dem Anfang der 1990er-Jahre in der DDR verhafteten Terroristen, waren im Zentralen Kriminalamt der DDR die „dünnen Akten“ der Einbürgerung aufgefallen.
Für die Ermittler ist das eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, da ungeklärt ist, welche Legende die Stasi oder Terroristen übernahmen. Es würde auch erklären, warum die Stasi Einfluss auf die Attentate der RAF Generation 3 nehmen konnte. Man denke an den Fall von Detlev Karsten Rohwedder. Oder an den Mord an dem Deutsche Bank Chef Alfred Herrhausen im November 1989. Schon die Lichtschranken-Zünder wiesen auf die ehemaligen Schergen der HVA hin. Nicht nur die Ideologie.
Wahrscheinlich wollte sich die Stasi in konkurrierenden Abteilungen die „Tür nach Westen“ auch nach dem Zusammenbruch der DDR offenhalten. Dieser war absehbar.
Stattete das Ministerium für Staatssicherheit in Ostberlin zur Zeit der Wende, die Terroristen der dritten Generation der RAF noch mit sozusagen realen Legenden aus, wie sie es auch in dem Fall von Inge Viett und Susanne Albrecht machten? Glaubt man dem 2012 bei Herbig Verlag erschienenen Buch von Regine Igel, die anhand von fast 60.000 gesichteten Akten feststellte, dass die Terroristen, nachdem diese Anfang der 1980er-Jahre schubweise in die DDR illegal übergesiedelt waren, doch häufiger unter falscher Legende wieder in den Westen reisten.
Man wundert sich über diese Aussage, die kaum an die Öffentlichkeit drang.
Legende vernebelt wie beim Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen
Nicht mehr feststellbar ist, welche der Legenden den Terroristen seinerzeit vom Ministerium für Staatssicherheit gegeben wurden. Die Stasi und die HVA waren Meister der Desinformation. Es kann durchaus möglich sein, dass noch zu Zeiten der DDR die Bürger ausgeschleust wurden, entweder in den Westen oder in eines der ehemaligen Ostblockländer.
30 Jahre nach dem „deutschen Sommer“ stellen sich ganz neue Fragen an die Sicherheitsbehörden.
Regine Igel fand während ihrer Recherche-Arbeiten zu dem Buch, Dokumente in dem ehemaligen Konvolut der Stasi-Unterlagenbehörde. So kann es schon stimmen, dass die ehemaligen RAF-Terroristen friedlich unter allen Bürgern der Bundesrepublik leben. Der Präsident von Niedersachsens Landeskriminalamt (LKA), Friedo de Vries, teilte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ („NOZ“/Montag) in Sachen Terror-Rentner mit, dass diese abseits ihrer Raubzüge auf Supermärkte und Geldtransporter, ein völlig normales Leben in einem sozialen Umfeld nachgehen. Es kann auch sein, dass sie gar nicht zusammenleben, sondern durchaus einzeln.
Verbirgt sich hinter den drei Gesuchten doch noch mehr?
Ein weiteres Indiz oder Mysterium im Zusammenhang mit der Legende der vermissten Terroristinnen seit Anfang der 1970er-Jahre, ist das Verschwinden von vier Terroristinnen, die angeblich im Libanon oder Jemen, je nach Geschmack auch im Irak untergetaucht sein sollen.
Wegweiser in ein Restaurant auf der Schanze
Angeblich hätte der Terror-Psychopath Andreas Baader, Anfang 1972, bei Germersheim eine seiner frühen Weggefährtinnen erschossen. Spätere polizeiliche Grabungen nach Inge Barz erbrachten nichts. Bei Barz soll, nachdem sie 1975 die ehemalige Terroristin Inga Hochstein in Hamburg in einem Restaurant getroffen hatte, zunächst eine schwere Krankheit im Vordergrund gestanden haben. An der sie dann auch verstorben wäre. Aber es wurden, aus welchem Grund auch immer, eine Schachtel Antibabypillen in einem Hotel in Nord-Irland 1974 aufgefunden. Darauf die Fingerabdrücke von der angeblich toten Inge Barz. Natürlich ist nicht geklärt, ob die Vermisste die Packung noch benutzte. Schon damals sah es aus, als hätte jemand absichtlich eine Spur ins Nichts gelegt.
Auch eine weitere, bei dem Flug der Terroristen mit Pastor Heinrich Albertz, im Zusammenhang der Entführung des Berliner Kammerpräsidenten Peter Lorenz, 1975, in den Südjemen verschwanden damalige Terroristen auf Nimmerwiedersehen. Ina Siepmann, einst eine der meistgesuchtesten Terroristinnen der Bundesrepublik, Ex von Dieter Kunzelmann und Mitglied bei dem Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen verschwand.
Letzte Spuren führen nach Bagdad und in den Libanon Mitte der 1970er-Jahre. Danach gibt es unter Umständen bei Siepmann noch eine nachweisbare Spur, die im Zusammenhang mit der palästinensischen Frauen-Brigade steht, so sollen diese Terroristen 1982, bei einem Bombenangriff Israels auf den Libanon, getötet worden sein. Erwiesen ist dieser Fakt nicht.
Auch in dem Fall der unter mysteriösen Umständen verschwundenen ehemaligen Terroristin Friederike Krabbe, die im Umfeld des palästinensischen Bombenspezialisten Muhammad al-Umari zu suchen war, schauten die Behörden in die Röhre, als sie 2003 in das Bagdader Villenviertel al-Mansur kamen. Krabbe und ihr Bombenspezialist waren geflohen. Angeblich soll sie sich dort noch kurz vorher aufgehalten haben.
Nun steht auch anzunehmen, dass die anderen vermissten Terroristen von der DDR mit wasserdichten Legenden ausgestattet wurden.