Viele Spuren mehr zum mysteriösesten Mordfall der Nachkriegsgeschichte
Zur Isdal-Frau, die im November 1970 tot in der Gegend von Bergen / Norwegen aufgefunden wurde, gibt es neue Erkenntnisse. Aber auch nur Fragmente in einem großen Mosaik, das die schöne Unbekannte hinterließ.
Schon 2019 schrieb die Le Républicain Lorrain in Forbach/Frankreich über die mysteriöse Bekanntschaft eines Mannes aus dem Grand Est in den Wochen des Sommers 1970.
Die beiden sprachen fast ausschließlich über Malerei und Kunst. Sie verfügte über einen „Balkan-Akzent“, sprach aber Deutsch, Französisch und Niederländisch, wie der Le Républicain Lorrain zu berichten wusste. Der Unbekannte, der als Informant der Regionalzeitung in Lothringen diente, sagte: „Sie (Die mutmaßliche Isdal-Frau) sagte, sie habe mehrere Papiere und Pässe, die es ihr ermöglichen, die Berliner Mauer zu überqueren und problemlos in die DDR zu reisen.“
Insgesamt verwundert die Aussage in der Quelle der Franzosen. Sie ist perfekt auf die Ereignisse abgestimmt, die sich dann auch zutrugen. Angeblich hatte sie in den Gepäckstücken, die bei Freunden im Forbacher Stadtteil Wiesberg gesammelt wurden und wo auch sie übernachtete, etliche Pässe und Perücken. Auch Kleider, die sicher nicht von einer armen Frau vom Balkan stammten.
Nur, wo waren die Gegenstände, Dokumente, als die Kripo in Bergen die Koffer nach dem Tod der Isdal-Frau in einem Schließfach des örtlichen Bahnhofes auffand?
Rätsel über Rätsel.
Warum sollte diese Frau, die hoch zu Ross auf einem Pferd im Holzfällerhemd und Cordhosen saß, nun plötzlich tot im Isdal/Norwegen liegen. Und zwar nachdem sie zwei unbekannte Männer, wahrscheinlich Jugoslawen, zwei Tage vor ihrem Ableben getroffen hatte.
Die Spur der Isdal-Frau führt nicht nur nach Lothringen, unweit der deutschen Grenze, sondern auch nach Genf.
In das damalige Luxus-Hotel Regina am Quai du Mont Blanc, des Besitzers Émile Kähr und nachfolgend seiner Söhne. Dort, wo sich Titos und Ulbrichts Devisenbeschaffer herumtrieben. Hier trafen sich inmitten der Genfer Kunstszene, in Steinwurfweite zu den Galerien Genfs die Kenner alter Meister und nicht nur die.
Aber auch das Hotel Regina in Genf, in den Jahren eine bekannte Absteige für Ost-West-Kontakte hatte eine bewegte Geschichte, wie man dem Journal de Genève entnehmen kann. Es ereigneten sich mysteriöse Vorgänge: Zum Beispiel dokumentiert in der Ausgabe vom 22. September 1959. Der französischsprachige Artikel kann hier gefunden werden.
Wir haben, weil diese Tat in dem Stadtbezirk so außergewöhnlich ist, den Artikel übersetzt.
„Gegen Ende der gestrigen Nacht, haben sich zwei Unbekannte dem Portier des Hotels Regina, 7 quai du Mont-Blanc, vorgestellt. Herrn Alois Arnold, 78 Jahre alt, 20 avenue Jacques-Martin in Chêne-Bougenes, der gerade seine stellvertretende Tätigkeit beendete, da der Amtsinhaber zu der Zeit Urlaub hatte. Von einem der Fremden, der aus einer roten Ledertasche ein Schlaginstrument herausgenommen hatte, (wurde der Mann) auf den Kopf geschlagen. Herr Arnold brach zusammen, während der zweite Angreifer ihn niederhielt und an der Kehle packte. In der Zwischenzeit war der erste Räuber hinter den Tresen gegangen, hatte die Kassenschublade gesprengt (!) und mehr als neuntausend Franken mitgenommen (damaliger Wert etwa 4456 Euro).
Als es ein Geräusch gab, machten sich die beiden Angreifer auf den Weg in Richtung der Salons und sprangen durch ein Fenster im Erdgeschoss auf den Square du Mont-Blanc. Herr Arnold war bald wieder bei Sinnen. Der Siebzigjährige, der trotz seines Alters sehr aufmerksam war, schaffte es, per Telefon die Polizei zu rufen. Die Polizei eilte zum Tatort und begann eine Suche, die jedoch ergebnislos verlief. Tatsächlich sind die Hinweise zu den Unbekannten eher vage: Größe 160 cm, eher dünn, Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, Teint und Haar dunkel, Sprache mit südländischem Akzent, helle Kleidung, ungepflegtes Aussehen.
Herr Arnold, der eine beträchtliche Menge Blut verloren hatte, wurde in die Poliklinik und dann ins Kantonsspital gebracht, wo die Ärzte eine tiefe Wunde am Kopf – er hatte jedoch keinen Schädelbruch erlitten – und Spuren einer Strangulation am Hals feststellten. Er wird eine Woche im Kantonsspital bleiben müssen.
Erst vor einiger Zeit entkam der Nachtportier des Hotel de la Paix nur knapp einigen Personen, die, nachdem sie ein Fenster aufgebrochen hatten, versucht hatten, ihn anzugreifen.
Es ist verwunderlich, dass es gegen acht Uhr zu diesem Überfall kam. Die Täter suchten zudem noch nach etwas anderem. Leider kann man die ganze bewegte Geschichte des Hotel Reginas nicht in einem Artikel schildern, aber es ist wild zugegangen.
„Brandbekämpfung in einem Hotel“
Gestern, am späten Vormittag, fuhren die Pioniere der Ständigen Bereitschaft zum Hotel Regina, Quai du Mont-Blanc 7, wo zwischen Boden und Decke ein Feuer ausgebrochen war. Die Feuerwehr musste Abbrucharbeiten durchführen, um an den Unglücksort zu gelangen.
Dies ist auf eine zufällige Ursache zurückzuführen. Es scheint tatsächlich, dass eine Zigarette, die zweifellos gelöscht wurde, in ein kleines Loch in der Toilette gefallen ist, wodurch Rauch freigesetzt wurde, der das Eingreifen der Feuerwehr erforderlich machte.“
Nur eine Randbemerkung in dieser Angelegenheit ist es, dass das Hotel Bristol in der Krambugata 3, in Trondheim, wo die Isdal-Frau übernachtete, 1976, bis auf die Grundmauern niederbrannte. Bis heute ist nicht geklärt, wie der Brand ausbrach.
In den 50-er und 60-er Jahren fanden in dem mondänen Umfeld in Genf z.B. die jährliche Veranstaltung der Schriftsteller statt. Die Isdal-Frau, von Kunst regelrecht besessen, fügte sich in das Umfeld perfekt ein. Doch, der Stern des Hotel Reginas war am Sinken, zahlreiche Pächter und Besitzerwechsel führten 1974 zur Auflösung des Hauses.
Was heute das Hotel de la Paix an dem vornehmen Ufer des Genfer Sees ist, war 1970 das Hotel Regina. Nicht minder vornehm.
Dort muss die schöne Unbekannte residiert haben. Zumindest hatte sie aus diesem Haus in den Asservaten der Koffer, die Tage nach ihrem Ableben in einem Schließfach am Bahnhof Bergen gefunden wurden, Nähzeug.
Damals wurde dieses Nähzeug in den Zimmern der Nobelherberge am Genfer See ausgelegt, zusammen mit einem Stück Seife und einer Bibel. Leider gibt es keine Meldebögen mehr aus den Tagen.
Die Frage blieb, warum ließen die, die sonst alles aus den Koffern entfernt hatte, was auf die Identität der Toten hinwies, just das Nähzeug in dem Koffer. Es war wie das Vernebeln des norwegischen Militärnachrichtendienstes gegen die Polizei in Bergen. Fälle aus der untersten Schublade wurden herbeigezogen.
Die Spuren scheinen absichtlich entfernt worden zu sein, um den wahren Grund, den Kunstschmuggel, zu vernebeln.
Was aber hält den militärischen Nachrichtendienst Norwegens 50 (!) nach dem Auffinden der Frau davon ab, die Unterlagen, die damals in den Koffern sichergestellt wurden herauszugeben?
Dieses Geheimnis muss weitaus wichtiger sein als veraltete AGM-119 Penguin Anti-Schiffsraketen, die damals als dankbare Ausrede verwandt wurden und zu seltsam gestreuten Gerüchten führten.