Von der politischen Realität überrollt
Saß man Johannes Kahrs gegenüber, so war nicht nur die Zeit knapp bemessen, sondern der Seeheimer Kreis konservativer Sozialdemokraten augenscheinlich wichtiger. Interessiert war er eigentlich nur an seinen eigenen Themen, wie Homosexualität. Mit anderen Minderheiten konnte und wollte sich der Abgeordnete nicht abgeben, nur wenn es seinem eigenen Scherflein diente.
Zu oft wechselte er den Standpunkt, den er zuvor vehement vertreten hatte. Er war die Generation, die bei dem Hamburger Wohnungsbauunternehmen SAGA unter dem Senator Eugen Wagner (Beton Eugen) politisch groß wurde. Es waren die Jahre des Hamburger Filz. Kahrs scherten die Folgen der zahllosen Affären nicht. Wagner war sicherlich kein Aushängeschild für Hamburgs SPD. Irgendwann mutierte Johannes Kahrs zum mächtigsten Mann in der Hamburger SPD. Elend waren die Spenden, die der Kreisverband von Kahrs aus der Rüstungsindustrie Anfang des Jahrtausends bezog.
Bei anderen Abgeordneten hätte man das System Kahrs, das er um sich herum schuf, Korruption genannt. Kahrs kam so davon. Selbst Olaf Scholz scheute, wie so oft, die offene Konfrontation.
Bei Anruf „Schlampe“
Unvergessen ist auch, Kahrs bedrohte telefonisch eine Hamburger Lokalpolitikerin Anfang der 1990er Jahre, bis dem Treiben durch eine Fangschaltung ein Ende gemacht wurde.
Kahrs war der, der sich in Vereinen umtrieb und letztlich ein Netzwerk von Günstlingen schuf, das war das System Kahrs. Unbestritten, Kahrs hat vieles für die Homosexuellen getan. Als haushaltspolitischer Sprecher der SPD glänzte er, auch den Demokratieverächtern der AfD gab er, wie kaum ein anderer, kontra.
Eher trotzig hatte sich der Langzeitabgeordnete und Ex-Offizier um den Posten des Wehrbeauftragten beworben, die Fraktionsspitze hatte Eva Högl bevorzugt. Scheinbar hatte Johannes Kahrs schon lange keine Lust mehr. Seinen twitter account hat Kahrs schon mal gelöscht.
Kahrs legte sein Mandat im Bundestag nieder, das er seit 1998 innehatte.