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Deutschland

Finanzskandal mit politischer Tragweite

Berlin, Deutschland
Titelbild Beispielfoto: Scholz, JOHN MACDOUGALL AFP
Bundeskanzler Olaf Scholz zieht eine Grimasse, als er das 13. Treffen des Petersberger Klimadialogs am 18. Juli 2022 im Auswärtigen Amt in Berlin verlässt. Die internationale Konferenz Petersberger Klimadialog ist eine Reihe von jährlichen Konferenzen zur Vorbereitung der UN-Klimakonferenzen und der COP-Konferenzen. (Foto: John MACDOUGALL / AFP)

Von Peter EßER

Der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schien den Cum-Ex-Skandal bei der Hamburger Warburg-Bank in seiner Zeit als Erster Bürgermeister der Hansestadt zunächst weitgehend schadlos überstanden zu haben. In der kommenden Woche muss er jedoch erneut in den zuständigen Untersuchungsausschuss. Wegen neuer Ungereimtheiten steigt der Druck auf den Regierungschef. Eine Übersicht über den wohl teuersten Steuerskandal der Geschichte und seine politische Tragweite:

Was ist Cum-Ex?

Bei sogenannten Cum-Ex-Geschäften wird der Staat ausgetrickst, so dass eine nur einfach gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach zurückerstattet wird. Zu diesem Zweck werden Aktienpakete um den Dividendenstichtag zwischen mehreren Geschäftspartnern hin und her gehandelt. Dadurch ist unklar, wer Anspruch auf die Steuerrückerstattung der automatisch abgeführten Kapitalertragssteuer hatte – und die Abgabe wird mehrfach erstattet.

Diese Praxis war seit Anfang der 2000er Jahre bei zahlreichen Banken im In- und Ausland üblich. Das gesamte Ausmaß des Schadens für den Fiskus ist nicht bekannt, in Deutschland wird von vielen Milliarden Euro ausgegangen. Die Politik ging jahrelang gar nicht, dann zurückhaltend dagegen vor. Erst 2019 entschied der Bundesgerichtshof endgültig, dass es sich bei Cum-Ex-Geschäften um strafbare Steuerhinterziehung handelt.

Inzwischen laufen deswegen zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen Banken oder frühere Mitarbeiter. Steueranwalt Hanno Berger, der als Schlüsselfigur gilt, steht in Bonn und Wiesbaden vor Gericht. Der frühere Generalbevollmächtigte der Warburg-Bank ist bereits wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Eine Verfassungsbeschwerde der Hamburger Privatbank gegen die Einziehung von 176 Millionen Euro scheiterte im April vor dem Bundesverfassungsgericht.

Was hat Bundeskanzler Scholz damit zu tun?

Scholz war von 2011 bis 2018 Erster Bürgermeister von Hamburg – in diese Zeit fällt der Cum-Ex-Skandal bei der Warburg-Bank: Die Finanzbehörde der Hansestadt hatte 2016 darauf verzichtet, 47 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften von der Bank zurückzufordern. Es steht die Frage im Raum, ob politisch auf diese Entscheidung Einfluss genommen worden war. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft geht dem nach.

Wie kommt es zu dem Verdacht?

Hintergrund sind unter anderem Kontakte von Scholz zum Warburg-Miteigentümer Christian Olearius, der versucht haben soll, Rückforderungen gegen die Bank in Höhe von insgesamt 90 Millionen Euro abzuwenden. Kurz nach einem Telefonat zwischen Olearius und Scholz hatte die Finanzbehörde eine Rückforderung von 47 Millionen Euro fallen lassen.

Laut dem „Hamburger Abendblatt“ wurde in Zusammenhang mit den Cum-Ex-Ermittlungen auch Scholz‘ offizielles E-Mail-Postfach als Landesregierungschef durchsucht. In dem entsprechenden Gerichtsbeschluss nahm das Kölner Amtsgerichts demnach auf Treffen von Scholz mit Olearius Bezug. Am Freitag kommender Woche soll Scholz zum zweiten Mal vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.

Welche Rolle spielt Johannes Kahrs?

Kahrs saß viele Jahre für die Hamburger SPD im Bundestag; als haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion sowie als Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises hatte er großen Einfluss in der Partei. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln in Zusammenhang mit der Warburg-Affäre. Sie ließ im vergangenen September Kahrs‘ Haus durchsuchen. Laut Medienberichten wurde auch ein Bankschließfach gesucht, in dem rund 200.000 Euro Bargeld gefunden worden seien. Die Frage, ob der Kanzler von der Bargeldsumme gewusst habe, verneinte dessen Sprecher Steffen Hebestreit am Montag.

Schwierig ist die Angelegenheit auch für den aktuellen Chef der Hamburger Regierung, Peter Tschentscher (SPD): Er war 2016 Finanzsenator der Hansestadt.

pe/cne

© Agence France-Presse

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