Die mangelnde Bereitschaft der Ampel-Koalition zur Aufarbeitung der Corona-Politik hat der Virologe Klaus Stöhr kritisiert. Mein Eindruck ist, dass die Parteien sehnlichst hoffen, bei der nächsten Pandemie nicht in Regierungsverantwortung zu sein“, sagte Stöhr der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Anders kann ich mir nicht erklären, dass man sich verweigert. Ich verstehe das nicht. „Um bei der nächsten Pandemie besser vorbereitet zu sein, müssen jetzt dringend die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit gezogen werden“.
Befürchtungen, wie die des Grünen-Gesundheitsexperten Janosch Dahmen, eine Aufarbeitung könne die Gesellschaft weiter spalten, weist Stöhr entschieden zurück: „Wenn Herr Dahmen Angst vor dem kritischen Diskurs hat, dann hätte er besser nicht in die Politik gehen sollen. Jede Aufarbeitung führt potenziell auch zu einer Auseinandersetzung: auch eine Aufarbeitung der Pandemie, die in die Vergangenheit gerichtet ist. Aber auch die ist notwendig.
Stöhr gehört zu den Initiatoren eines Briefs zahlreicher Ärzte und anderer Experten an die Bundesregierung, in dem eine systematische wissenschaftliche Aufarbeitung der Grippepolitik gefordert wird. „Aus der Pandemie zu lernen, ist eine gesellschaftliche und politische Verantwortung. Das ist man auch den Steuerzahlern schuldig, die sich mit rund 5300 Euro pro Kopf an den Maßnahmen beteiligt haben. Wer nicht bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen, wird sie wiederholen“, sagte Stöhr.
Ziel einer solchen Kommission soll die „Aktualisierung des deutschen Pandemieplans“ sein. „Es darf nicht passieren, dass die Verantwortlichen im Falle einer Pandemie wieder zu den alten Plänen zurückkehren. Die Kosten für die Nichtumsetzung werden um ein Vielfaches höher sein als die Kosten für die Einrichtung einer Kommission“, so Stöhr. Eine punktuelle Aufarbeitung, wie sie die aktuellen Schulstudien darstellen, reiche nicht aus.