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Kasemattenstadt Ehrenbreitstein,kasaan media, 1991
Archiv 1990 er

Die „Kasemattenstadt“ von Ehrenbreitstein

Totgeschwiegen

Seit 1992 geht das Gerücht über eine reisende Nazi-Bande, die Obdachlose in ganz Deutschland tötet. Man sich nur wundern, dass diesen Spuren nicht nachgegangen wurde. Anfang der 1990-er Jahre häuften sich die Mordfälle an Obdachlosen. Die Spur führt nach Koblenz und man will nicht glauben, was man sieht.

Wir waren unter der Kasematte der Festung Ehrenbreitstein, hier ist eine eigene Stadt entstanden.

Wie in einem Endzeitfilm von Mad Max erscheint der Ort, der muffig nach Urin, Kot, Abfällen und Tierkadavern riecht. Überall liegen Spitzen von Drogenabhängigen. Verrottete Kleidung, alte Schlafsäcke ganzer Generationen von Trebern in einem Bunker artigen Gebilde. Fast gegenüber dem edlen Diehls Hotel.

Unter der altehrwürdigen deutschen Festung, dem Wahrzeichen des Militarismus, breitete sich in den Kasematten, die von Sträuchern umgeben waren, ein schrecklicher Gestank aus. Wer auf der Straße nach Mülheim-Kärlich fuhr, konnte es schon im Auto riechen. Nur vom bloßen Vorbeifahren an dem Rhein, der dort ein paar hundert Meter weiter am Deutschen Eck auf die Mosel trifft.

Genau dort hatte sich das Strandgut der europäischen Einigung versammelt und das Nachtlager aufgeschlagen. Es waren Dutzende von Obdachlosen, die unter den altehrwürdigen Mauern hausten. Es roch nach Exkrementen, es stank regelrecht. Ein offenes Feuer brannte alle drei Meter. Ab und zu fuhr ein Polizeiwagen vorbei, hielt, ein Beamter stieg aus, sah nach und fuhr weiter. Sie ließen die Leute noch gewähren, weil das Strandgut auf Jugoslawien, wo im Augenblick der Krieg tobt, keinerlei Möglichkeit hat, sich eine Herberge zu suchen. Streitereien sind an der Tagesordnung, manchmal auch mit einer Flasche von dem riesigen Berg leerer Dosen, Flaschen und Tetrapaks. Männer und Frauen leben neben dem Feuer in schmutzigen Schlafsäcken, auf dem nackten Boden. Irgendwo dudelte ein Transistor Radio, am Morgen wird reichlich dem Wodka zugesprochen, die Gelage gehen bis spät in die Nacht.

Hier wurde ein Turm zu Babel geschaffen, Polnisch, Serbokroatisch und Russisch-ein paar Kurden sind auch da, in einer der hinteren Ecken. Leere Gemüsekisten und Plastiktüten lagen in den Büschen, die einen gewissen Sichtschutz gewähren. Ein Wall aus Müll um den Lebensraum geschaffen. Vielleicht leben 250 Menschen derzeit hier. Früher, so erzählte, jemand, waren auch Kinder da. Nur Deutsche und ein paar Franzosen seien hier gewesen. In einer leeren Fischdose grillt er über offenem Feuer, Würstchen.

Der deutsche Andy von der „Deutschen Front Coblenz (DFC)“ Frank Bönisch wurde letztes Jahr auf dem Bahnhofsvorplatz von einem Nazi erschossen. Andy H. kommt in der nächsten Wochen vor Gericht. Er wäre ein Skinhead gewesen. „Der Bönisch war ab und zu auch hier!“, meinte er leise, „aber das werden sie für Gericht nicht sagen. Koblenz schämt sich für uns.“

Im Winter soll das Lager geräumt werden, erzählt ein anderer, das Ordnungsamt hat es schon mehrfach angedroht, „Immer beim nächsten Mal wollen sie Ernst machen!“

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