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Die Stimmen werden immer lauter. Ungarn, mittlerweile eine Diktatur in Europa, soll die EU verlassen.
Viktor Orbán ist seit 2010 Ministerpräsident Ungarns und war es zuvor bereits von 1998 bis 2002. Er führt die Partei Fidesz, die sich von einer liberalen Jugendbewegung in den späten 1980er Jahren zu einer nationalkonservativen Kraft entwickelt hat.
Orbán ist eine der prägendsten Figuren der ungarischen Politik und polarisiert sowohl innerhalb Ungarns als auch international. Seine Anhänger sehen in ihm einen Verteidiger nationaler Souveränität und christlicher Werte, während Kritiker ihn als Autokraten betrachten, der demokratische Institutionen untergräbt.
Der Vorwurf, Orbán führe eine Diktatur, taucht regelmäßig in internationalen Medien und von Kritikern auf. Orbán selbst hat 2014 in einer Rede den Begriff der „illiberalen Demokratie“ geprägt, was er als Alternative zu westlichen liberalen Modellen darstellt. Er argumentiert, dass eine starke Führung notwendig sei, um nationale Interessen zu schützen, ohne Minderheitenrechte oder individuelle Freiheiten über die Mehrheitsinteressen zu stellen. Kritiker sehen darin einen Euphemismus für autoritäre Herrschaft.
Seit 2010 hat Fidesz die Kontrolle über große Teile der ungarischen Medienlandschaft übernommen. Kritiker bemängeln, dass regierungsnahe Oligarchen zahlreiche Medienhäuser aufgekauft haben und die staatliche Medienaufsichtsbehörde (NMHH) die Pressefreiheit einschränkt. 2018 wurden hunderte regierungsnahe Medien in der „Mitteleuropäischen Presse- und Medienstiftung“ (KESMA) gebündelt, was als Zentralisierung der Propaganda kritisiert wird. Unabhängige Medien wie Népszabadság wurden geschlossen oder übernommen.
Orbán wird vorgeworfen, das Wahlrecht zu Gunsten von Fidesz manipuliert zu haben. Änderungen wie die Neudefinition von Wahlkreisen, die Begünstigung der stärksten Partei und die Vergabe von Wahlrechten an ungarische Minderheiten in Nachbarländern, die meist Fidesz wählen, werden als Mittel gesehen, die Macht zu zementieren.
Bis 2022 sollen laut Kritikern über 700 Änderungen am Wahlrecht vorgenommen worden sein.Die Unabhängigkeit der Justiz steht unter Druck, da Fidesz treue Richter ernannt und die Kontrolle über das Verfassungsgericht gestärkt hat. Die EU hat Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, da die richterliche Unabhängigkeit gefährdet sei.Besonders während der Corona-Pandemie 2020 erlangte Orbán durch ein Notstandsgesetz die Befugnis, per Dekret zu regieren, ohne zeitliche Begrenzung.
Dies wurde als Machtübernahme kritisiert, obwohl das Parlament die Gesetze später aufhob. Ähnliche Notstände wurden bei der Migrationskrise (2015) und dem Ukraine-Krieg (2022) verhängt.2022 erklärte das Europäische Parlament Ungarn zu einem „hybriden System der Wahlautokratie“, was bedeutet, dass formale Wahlen stattfinden, aber demokratische Standards wie freie Medien oder Gewaltenteilung fehlen. Fidesz gewann die Parlamentswahlen 2010, 2014, 2018 und 2022 mit klaren Mehrheiten, oft mit Zweidrittelmajorität.
Orbán argumentiert, dass seine Politik den Willen der Mehrheit widerspiegelt.Anhänger betonen, dass Ungarn weiterhin ein Parlament, Wahlen und eine Verfassung hat. Notstandsgesetze seien in Krisenzeiten legitim und würden in anderen Ländern ebenfalls genutzt.Regierungsnahe Stimmen behaupten, es gebe nach wie vor unabhängige Medien und Meinungsfreiheit. Kritik an Orbán sei in Ungarn allgegenwärtig, was in einer Diktatur nicht möglich wäre.Orbán und seine Unterstützer sehen die Kritik aus Brüssel als Angriff auf die nationale Souveränität. Sie werfen der EU vor, Ungarn für seine konservative Politik zu bestrafen.
Ungarn ist keine Diktatur im klassischen Sinne, wie etwa Nordkorea oder die Sowjetunion, da Wahlen stattfinden und eine Opposition existiert. Allerdings sprechen zahlreiche Indizien – Medienkontrolle, Wahlmanipulation, Justizreformen – für eine systematische Schwächung demokratischer Institutionen. Begriffe wie „hybride Autokratie“ oder „illiberale Demokratie“ beschreiben diesen Zustand treffender als „Diktatur“. Orbán nutzt legale Mittel, um seine Macht zu sichern, was ihn von klassischen Diktatoren unterscheidet, aber dennoch die Demokratie untergräbt.Der Vorwurf, Orbán hege Hass auf Minderheiten, bezieht sich vor allem auf seine Politik gegenüber Migranten, der LGBTQ+-Gemeinschaft, Roma, Juden und anderen Gruppen. Ich untersuche die Vorwürfe und die Gegenargumente:Orbán ist bekannt für seine harte Anti-Migrationspolitik, insbesondere seit der Flüchtlingskrise 2015. Er ließ Zäune an der Grenze errichten, verschärfte das Asylrecht, z. B. Anträge nur in Botschaften möglich und sprach von einer „Invasion“ durch Migranten. 2015 erklärte er, Ungarn solle „für die Ungarn“ bleiben, und lehnte muslimische Einwanderung ab, da sie die christliche Identität gefährde. Kritiker werfen ihm vor, mit rassistischer Rhetorik Ängste zu schüren. 2022 sorgte eine Rede über „Mischrassen“ für Empörung, da sie an rechtsextreme Narrative erinnerte.
Orbán argumentiert, dass er die kulturelle Homogenität Ungarns schützen wolle, was kein Hass, sondern eine politische Priorität sei. Seine Politik richte sich nicht gegen Migranten als Personen, sondern gegen illegale Einwanderung. Anhänger betonen, dass Ungarn ein kleines Land mit begrenzten Ressourcen sei und keine Masseneinwanderung verkraften könne.
Seit 2010 hat die Regierung Orbán mehrere Maßnahmen ergriffen, die als homophob gelten. 2011 wurde die Ehe in der Verfassung als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert, was gleichgeschlechtliche Ehen ausschließt. 2021 verbot ein Gesetz die Darstellung von Homosexualität in Schulen und Medien, angeblich zum „Schutz von Kindern“. Kritiker sehen darin eine Gleichsetzung von Homosexualität mit Pädophilie und eine systematische Diskriminierung. Orbán sagte 2021, Ungarn sei „tolerant“ gegenüber Homosexuellen, solange sie „die Kinder in Ruhe lassen“, was als homophobe Rhetorik kritisiert wurde. Gewalt gegen Pride-Paraden (2007/2008) und homophobe Äußerungen von Fidesz-Politikern verstärken den Eindruck.
Orbán und Fidesz betonen, dass ihre Politik den Schutz traditioneller Familienwerte und Kinder im Fokus habe, nicht den Hass auf Minderheiten. Sie argumentieren, dass Homosexualität in Ungarn legal sei und niemand verfolgt werde. Das Gesetz von 2021 ziele nur darauf ab, Eltern die Kontrolle über die Erziehung ihrer Kinder zu geben.Kritiker werfen Orbán vor, antisemitische Stereotype zu bedienen, insbesondere durch seine Kampagnen gegen den ungarisch-jüdischen Milliardär George Soros. Soros wird als Drahtzieher einer globalistischen Agenda dargestellt, was an antisemitische Verschwörungstheorien erinnert.
2018 wurde die von Soros gegründete Central European University (CEU) aus Budapest vertrieben, was als Angriff auf akademische Freiheit und indirekt auf jüdische Intellektuelle gesehen wurde. Antisemitismus sei in Ungarn weiterhin ein Problem, auch wenn er nicht direkt von der Regierung gefördert werde.Orbán weist Antisemitismus-Vorwürfe zurück und betont, dass Ungarn Israel unterstütze und gute Beziehungen zu jüdischen Gemeinden pflege. Die Kritik an Soros richte sich gegen dessen politische Einflussnahme, nicht gegen seine Herkunft. Anhänger verweisen darauf, dass es unter Orbán keine staatlich geförderten antisemitischen Übergriffe gab.Die Roma-Minderheit in Ungarn leidet unter sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung. Kritiker bemängeln, dass die Regierung Orbán wenig tue, um die Lage der Roma zu verbessern, und dass antiziganistische Vorurteile in der Gesellschaft toleriert werden.
Es gab Berichte über rechtsradikale Patrouillen in Roma-Vierteln.Die Regierung betont, dass sie Programme zur Integration der Roma unterstütze, etwa durch Bildungsförderung. Allerdings gibt es wenig konkrete Fortschritte, und die Verantwortung wird oft auf lokale Behörden abgewälzt.Orbáns Rhetorik und Politik haben in mehreren Fällen Ängste geschürt und Minderheiten ins Visier genommen, insbesondere Migranten und die LGBTQ+-Gemeinschaft.
Begriffe wie „Mischrassen“ oder die Gleichsetzung von Homosexualität mit Gefahren für Kinder sind problematisch und werden von Kritikern als Hassrede gewertet. Ob dies persönlicher „Hass“ ist, ist schwer zu belegen, da Orbán seine Politik als Schutz nationaler und traditioneller Werte darstellt. Dennoch haben seine Maßnahmen reale Auswirkungen auf Minderheiten, die sich diskriminiert und ausgegrenzt fühlen. Der Antisemitismus-Vorwurf ist komplexer, da direkte staatliche Angriffe fehlen, aber die Soros-Kampagne antisemitische Stereotype bedient.Orbáns Politik muss im Kontext der ungarischen Geschichte und Gesellschaft gesehen werden. Der Vertrag von Trianon (1920), durch den Ungarn zwei Drittel seines Territoriums und viele ethnische Ungarn verlor, prägt bis heute das nationale Bewusstsein. Orbán spielt auf dieses Trauma an, wenn er von der Verteidigung der „ungarischen Nation“ spricht.
Ungarn hat unter Orbán wirtschaftliches Wachstum erlebt, aber die Einkommensungleichheit ist gestiegen (laut Gini-Koeffizient). Dies schürt Spannungen, die Orbán auf Minderheiten lenkt. Orbán nutzt die Kritik aus Brüssel, um sich als Verteidiger Ungarns gegen ausländische Einmischung zu inszenieren. Dies stärkt seine Popularität im Inland. Die EU hat mehrfach Maßnahmen gegen Ungarn ergriffen, darunter das Einfrieren von Geldern wegen Rechtsstaatsverstößen und ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Dennoch bleibt die Wirkung begrenzt, da Länder wie Polen Ungarn schützen. Während liberale US-Politiker Orbán kritisieren, wird er von konservativen Kreisen, z. B. Donald Trump, Tucker Carlson, als Vorbild gefeiert.Organisationen wie Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen verurteilen Ungarn regelmäßig für Menschenrechtsverletzungen und Presseeinschränkungen.
Viktor Orbán ist eine kontroverse Figur, die Ungarn tief geprägt hat.
Der Vorwurf der Diktatur ist nicht übertrieben, wenn man klassische Diktaturen als Maßstab nimmt, aber die Schwächung demokratischer Institutionen ist unbestreitbar. Seine Politik gegenüber Minderheiten – insbesondere Migranten und der LGBTQ+-Gemeinschaft – ist diskriminierend und hat Spannungen geschürt, auch wenn Orbán dies als Schutz nationaler Werte rechtfertigt. Der Antisemitismus-Vorwurf ist weniger eindeutig, bleibt aber durch die Soros-Kampagne relevant.
Orbáns Erfolg beruht auf seiner Fähigkeit, Ängste und historische Narrative zu nutzen, um Mehrheiten zu mobilisieren. Gleichzeitig isoliert er Ungarn zunehmend in der EU und spaltet die Gesellschaft.
Daher hat Orbáns Ungarn nichts in der EU zu suchen.