30 Jahre danach – aus einer anderen Perspektive
Jeder erinnert sich an den bedeutungsschwangeren Tag der Wiedervereinigung Deutschlands, am 3. Oktober 1990. Das Fahnenmeer vor dem Reichstag, am Brandenburger Tor. Niemand wird sich nicht der Worte des damaligen Einigungskanzlers, Dr. Kohl, erinnern.
Ein Jahr zuvor hatte es in der damaligen DDR den Höhepunkt des Widerstandes gegen die Betonkopf-Kommunisten im Politbüro gegeben. Das Volk war mutiger als die Schläger der all gewärtigen Stasi und lief dem Staat einfach weg. Das war gut so. Und der Mut, die Entschlossenheit der DDR-Bürger, darf niemals vergessen werden, die das Ostberliner Regime zum Zusammenbruch brachten. Die Szenen ähnelten sehr der Flüchtlingskrise unserer Tage. Das vergessen viele, dass auch sie Geflüchtete waren. Angewiesen auf die Hilfe derer, die den Tausenden halfen.
War die Wiedervereinigung Deutschlands das Beste, was dem Land passieren konnte? Sicher nicht, wenn man zurückblickt. Es hätte bei zwei deutschen Staaten bleiben sollen. In einer wie auch immer gearteten Konföderation, in der sich die jeweiligen Staaten langsam aneinander hätten gewöhnen können. Aber die DM rief und der Konsum des Kapitalismus. Aufmerksame Beobachter stellten fest, die längsten Schlangen entstanden nicht durch die Bananenkisten, sondern durch das Begrüßungsgeld. Damals waren es 100 DM pro Person.
Damals sah niemand die Folgen einer Wiedervereinigung im Hauruckverfahren, das Kohl im Windschatten des zerbrechenden Ostblocks regelrecht durchpeitschte. Der damalige Kanzler lag richtig: Es war ein einmaliger Moment in der Geschichte, der die Wiedervereinigung ermöglichte, die die 2. Berliner Republik begründete.
Irgendjemand hatte in der DDR das abgehalfterte Regime der SED mitgetragen. Dieser Umstand wurde im Überschwang der Zeiten ab Ende 1989 völlig vergessen. Es war eine Revolution im Gange. Kohls Anspruch war es, die Einheit eines Landes herzustellen, das kein Einig-Vaterland mehr war und auch nicht mehr werden konnte. Die Schergen um Honecker und seine grausamen Apparatschiks, die an diktatorischer Gewalt kaum zu überbieten waren und ihre Hände in Blut wuschen, verschwanden nicht einfach über Nacht. Das System der BRD wurde dem Osten einfach übergestülpt. Ob die Bürger der DDR das wollten oder nicht. Niemand wurde gefragt oder gar über eine Volksabstimmung nachgedacht. Es gab damals schon kritische Stimmen.
Doch Kohl machte einen Fehler. Er vergaß, dass die Generation, die einst das Kriegsende erlebte hatte, durch die Kommunisten im Osten geprägt wurde. In der Tat kann man dreißig Jahre danach sagen, eine deutsche Konföderation, zwei deutsche Staaten, natürlich ohne Mauer und Schießbefehl, ohne die Machenschaften der Stasi, wäre das Erfolgsmodell geworden. Staaten, die sich langsam hätte annähern können, ohne den sozialen Sprengstoff, den die SED Diktatur hinterlassen hatte.
Kohl vergaß die Prägung durch das System. Nun muss die Generation 30 Jahre danach, die Folgen der Wiedervereinigung tragen. Die, denen das demokratische System der Bundesrepublik nicht gefiel, die aber quasi mit der Einheit befreit wurden, wollen und treiben die Abschaffung der Demokratie in Deutschland nach vorne. In der jetzigen Bundesrepublik hat sich eine gefährliche antidemokratische Stimmung in den ideologischen Blöcken der SED Nachfolger und der Nationalisten gebildet. Das durch die Einigung beschworene europäische Haus hat ohnehin Risse, die nur noch schwer zu reparieren sind. Putin, der alles tut, um Europa zu zersetzen, der schon widerliche polnische Nationalismus und die damaligen Garanten der Freiheit, die Ungarn, versinken in einer weiteren Diktatur. Sicherlich ist eine weitere Diktatur nicht das Allheilmittel für die Probleme der heutigen Zeit.
Nein, der 3. Oktober mag ein Datum in der Geschichte sein, das sicherlich eine Wende brachte, aber ob zum Guten? Das sei dahingestellt und anderen Generationen zur Beurteilung überlassen. Derzeit macht es nicht den Eindruck.
Denen, die die Erinnerung an die Wiedervereinigung feiern wollen, einen wundervollen 3. Oktober!
1 Kommentar
Die Existenz von zwei deutschen Staaten nebeneinander nach dem Mauerfall ist eine Illusion. Man darf nicht vergessen, dass die Wirtschaft der DDR am Ende war, die Produktionsanlagen und -methoden marode oder veraltet und die Produkte nicht konkurrenzfähig am Weltmarkt. Die DDR war ein Industrieland und die Werkbank für andere Ostblockstaten. Diese sind aber ausgefallen als Abnehmer nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Die Wirtschaft in Ostdeutschland wäre komplett zusammengebrochen. Was wäre passiert: die Leute wären aus Ostdeutschland weggelaufen in den Westen. Man hätte also die Mauer wieder zumachen müssen, um das zu verhindern. Es blieb also nur die schnelle wirtschaftliche und politische Zusammenführung. Das dabei auch viele Fehler gemacht wurden, ist unbestritten. Aber wer hatte Erfahrung mit einem solchen Prozess: in der modernen Geschichte hat es einen solchen Vorgang nicht gegeben. Die Wiedervereinigung war einmalig und ist es immer noch!