(br/mcvth/Bergen/ Norwegen)
Tote im Isdal in Norwegen
Wer sich mit dem mit Abstand mysteriösesten Kriminalfall der europäischen Nachkriegsgeschichte beschäftigt, muss am 29. November 1970 in den Ulriken Bergen, im Isdalen, beginnen. Ein Vater und seine zwei Töchter fanden an diesem Sonntagnachmittag, dem ersten Advent dieses Jahres, die Leiche einer Frau.
Scheinbar hatte dieser Fall alle Zutaten eines Spionage-Thrillers, der so nur in der damaligen Zeit des kalten Krieges geschehen konnte. Sinnigerweise lief an diesem Abend das erste Mal Taxi nach Leipzig, der erste Tatort im Programm der ARD in Deutschland.
Der norwegische Staatsanwalt Carl Halvor Aas, damals 30 Jahre alt, hatte an diesem Tag Dienst und fand mit dem Fall seinen eigenen, ziemlich realen Krimi in einem kleinen Tal, in einer schlecht zugänglichen Felsschlucht, in der Gegend von Bergen in Norwegen vor.
Der ehemalige zuständige Staatsanwalt erinnerte sich in einen Interview der NOK und der BBC, das viele Jahre später geführt wurde, dass der Geruch der verbrannten Leiche ihm besonders in die Nase gestiegen war, noch bevor er den Körper überhaupt erblickte.
Die Gegend war malerisch. Zwischen dichtem Baumbewuchs und vermoosten Steinen, in sicherem Abstand zu einem der Wege, lag die halbverkohlte Leiche der ungefähr 30 Jahre alten und, wie später rekonstruiert, durchaus hübschen Frau. Sie war auch schon zu Lebzeiten aufgefallen, wie die eher gebremsten polizeilichen Ermittlungen kurz darauf ergaben. Von wem auch immer gebremst, das war nicht klar und wurde auch nicht geklärt.
Es blieb eines der vielen Geheimnisse in diesem Fall.
Schon der Fundort bot ein kriminalistisch sehr wirres Bild. Verbrannte Gummistiefel, die später zu einer belastbaren Spur in dem Fall werden sollten, ein Röhrchen Phenobarbital Schlaftabletten, ein Lunchpaket und eine leere Flasche Alkohol. Zudem zwei
weiße Plastikflaschen, deren Geruch auf Benzin hinwies, zudem ein verbrannter Pass. Eine Handtasche? Fehlanzeige! Angeblich war die Tote an einer Überdosis der Schlaftabletten und einer mit dem Brand einhergehenden Kohlenmonoxid-Vergiftung erlegen. Ruß wurde in ihrer Lunge gefunden, obwohl, nach Weisung von oben, Suizid angegeben wurde, war es fast ausgeschlossen, dass die Unbekannte Selbstmord begangen hatte. Eine Schachtel Streichhölzer von der deutschen Sexshop-Betreiberin Beate Uhse wurde als pikantes Detail am Tatort aufgefunden. Später wurden die Zündhölzer angeblich auch in einem der Koffer aus dem Bahnhof gefunden.
Alles in diesem Fall widersprach sich.
Ein verstörendes Puzzle von möglichen Verstrickungen ergab sich aus den am Tatort aufgefundenen Gegenständen und später in den beiden Koffern aus den Schließfächern am Bahnhof mit dem Reisegepäck der unbekannten Frau. Weder zur Identität der Unbekannten noch zu einem Motiv, noch zum Täter führten diese Spuren. Mehr als merkwürdig sind auch die Umstände und führen daher zudem zu abenteuerlichsten Spekulationen, die sich wie ein Spinnennetz um den mehr als 48 Jahre alten Fall ranken. Der Fund ist noch heute in Norwegen einer der aufsehenerregendsten Kriminalfälle und lässt auch seit Jahrzehnten weltweit Journalisten keine Ruhe.
Sicher ist in diesem Fall nichts.
Stunden später meldeten sich Zeugen, mit denen für eine Mordermittlung sehr unkonventionell umgegangen wurde. Erst Anfang des Jahrtausends gab es hierzu weitere Zeugenaussagen, denen man Beachtung schenken konnte. Zeugen, die die Tote mit zwei Südländern gesehen hatten, wurden von der Polizei einfach nicht zur Kenntnis genommen. Den Zeugen wurde verboten, überhaupt über ihre Beobachtung zu reden. Wer oder was die Südländer waren, die die ein paar Tage später Verstorbene offensichtlich kannte, mit denen sie ein angeregtes Gespräch führte, blieben im Dunklen. Die Unbekannte logierte Tage vor ihrem Ableben, vom 19. bis 23. November, im Hordaheimen Hotel in Bergen. Dies unter einem offensichtlichen Falschnamen, einem Decknamen oder einer der vielen Identitäten die diese Person besass. Wart einer der Unbekannten, mit dem sich die in ein Sommerkleid gewandte Unbekannte unterhielt, der sowjetischen Militärattaché in Norwegen, der sich zur gleichen Zeit in Bergen aufgehalten hatte ?
Wer war diese Frau?
Sollte jemand die Frau erkennen oder meinen zu erkennen, irgendwelche Hinweise auf die Identität der Person geben können, etwas über die sogenannte Isdal-Frau sagen können, sollte er sich bitte bei der örtlichen Polizei melden.
Es gibt eine Notiz bei Interpol.
Richtig mysteriös wurde es, als mehrere Koffer in einem abgelaufenen Schließfach aufgefunden worden, und der Inhalt mit der Toten in Verbindung gebracht werden konnte. In den Koffern wurden Requisiten aufgefunden, die aus einem Spionagefilm stammen konnten oder auch einfach nur einer verrückten Person. So waren auf unechten Brillen Fingerabdrücke der Toten erhalten. Diese stimmten überein mit der Leiche, die man an dem 29. November 1970 gefunden hatte. Eine weitere Merkwürdigkeit in dem gesamten Verhalten der Toten war das ständige Wechseln von Identitäten, das Erstellen von Tabellen mit scheinbar codierten Zahlengruppen, die einen systematischen Code ausmachten. Nicht jede ungefähr 30-jährige Frau, war zu dem Zeitpunkt in der Lage, Kodierungen in dieser Form zu erstellen und warum sollte sie, wenn sie durch Europa reiste, solche Kodierungen überhaupt aufstellen?
Aus den Kleidungsstücken waren die Etiketten entfernt worden.
Warum reiste die Tote zu Lebzeiten mehrere Monate durch Europa und gab dabei verschiedene Namen an?
Später wurde durch einen der damit befassten Ermittler glaubhaft behauptet, dass der militärische Nachrichtendienst die beiden in dem Schließfach aufgefundenen Koffer vor der Polizei durchsucht hatte.Ob dem so war, kann niemand behaupten, wie alles in dem Fall "ein Vielleicht" oder "Möglich" war und ist. Eine ganze Zeit lang war vermutet worden, dass der militärische Nachrichtendienst der Norweger das Verfahren unterdrücken wollte. Einige Gründe gab es dafür. Norwegen war in der Zeit des Kalten Krieges das Land, an dessen Küsten die U-Boote der Sowjets verkehrten. Zudem infiltrierten Spione aus dem Ostblock über Norwegen in den Westen.
Aber warum sollte die Spionageabwehr eine offensichtlich ausländische Agentin schützen? Die Ermittlungen der Polizei wurden nach Aussage von mehreren Beteiligten an den Verfahren erheblich behindert.
2. Teil Führt die Spur zur HVA nach Ostberlin?