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Cold Case

Der ungeklärte Mord an Detlev Karsten Rohwedder

Jahrzehnte alte Denkverbote

Als am 1. April 1991, dem Ostersonntag, zwei Unbekannte im Schutze der Dunkelheit und einer Laubenkolonie vor dem Haus in Düsseldorf ausharrten, bis der Treuhand-Chef an seinen Schreibtisch ging, schien es das perfekte RAF-Attentat zu werden.
Rohwedder war zu dieser Zeit nicht nur einer der meistgehassten Westdeutschen, sondern auch eine der Personen, die in absoluter Gefährdung waren. Das war dem BKA klar und auch Rohwedder selbst. Irgendetwas hatte die Gattin Rohwedders gespürt, als sie Tage zuvor die Polizei in Düsseldorf auf eine mögliche Eskalation hinwies. Wahrscheinlich waren die Lebensgewohnheiten des Treuhandchefs ausgespäht worden, ehe die Täter die Tat begingen.

Seine Frau wurde bei dem Attentat verletzt.
Der Treuhandchef verstarb noch am Tatort. Eine sofortige Großfahndung nach den Attentätern erbrachte nichts.

Die Phantome der Nacht waren entkommen. Schon Stunden nach dem Tod von Rohwedder stand in Ermittlerkreisen fest, es waren Täter der Rote Armee Fraktion, die sie suchten.
Ein selbst für die RAF vollkommen bizarres Bekennerschreiben wurde unweit des Tatorts aufgefunden.
Auszüge aus dem Schreiben des angeblichen Kommandos Ulrich Wessel:

WER NICHT KÄMPFT, STIRBT AUF RATEN.
FREIHEIT IST NUR MÖGLICH IM KAMPF UM BEFREIUNG.

wir haben am 1.4.1991 mit dem KOMMANDO ULRICH WESSEL den chef der berliner treuhandanstalt detlev karsten rohwedder erschossen…

rohwedder sass seit 20 jahren in schlüsselpositionen in politik und wirtschaft.

Tage später sollte noch ein weiteres, selbst für die RAF idiotisches nicht Bekenner-, aber Rechtfertigungs-Schreiben bei DPA eingehen.

Jemand hatte vorzüglich gefälscht, aber den historischen Kontext der Erklärung der RAF nicht verstanden. Das war zu Zeiten der Stasi-RAF- Verbindung nicht  tragbar gewesen, den Kontext und die Merkmale der Bekennerschreiben zu erlernen. Das Haar von Wolfgang Grams auf dem Handtuch, das über den Gartenstuhl ausgebreitet war, als die Täter schossen, konnte auch bei einem der Besuche von Grams in der DDR aufgefangen worden sein. Die zurückbelassenen Zigarettenkippen führten nicht zum Ziel, nur zur Blutgruppe A.

Nur eins wurde schnell klar, jedoch totgeschwiegen:

Keiner der RAF Terroristen war in der Lage, auf diese Distanz zu schießen, 63 Meter. Der Fluchtweg, das bestätigte auch die Polizei, verlief durch die angrenzende Laubenkolonie. Man darf nicht vergessen, in der RAF gab es keine Scharfschützen, die in der Nacht durch Büsche, aufwärts, durch eine Scheibe schießen konnten, danach den Sicherheitskräften entkommen konnten, durch den Rhein zu tauchen vermochten und dann noch unerkannt auf der anderen Seite des Flusses zu verschwinden wussten. Das klang und klingt noch heute zu absurd.

Die Geschichte des Mordes an Rohwedder und Herrhausen begann Jahre zuvor, als den Mitarbeitern aus Politik und Wirtschaft, Stasi und Staatsreserve klar wurde, die DDR ist ein sozialistisches Auslaufmodell.
Mit von der Partie waren bis heute undurchsichtigste Gestalten der DDR HVA, hauptberuflich Agenten und Saboteure von Stasis Gnaden, die zum späteren Zeitpunkt just VEB Kombinat Robotron berieten.

Die Spur der alten neuen Seilschaften, die auch Rohwedder ausgemacht hatte, führte nach Thüringen und ins Vogtland. Es wurden Millionen aus der DDR in den Westen auf Konten verschoben. Angefangen hatte dies bereits 1987, glaubt man den Zeitzeugen. Waffen der NVA und der sowjetischen Westtruppen wurden auch noch nach dem Zusammenbruch des Honecker Regimes verschoben. Rohwedder wusste um diese ganzen Klüngeleien des zerfallenen Stasiapparates.

Gab es eine Verbindung zwischen ehemaligen Stasi Leuten, die sich als Gastgeber der RAF-Aussteiger verstanden und der 3. Generation der RAF? Oder war die 3. Generation der RAF nur eine Fassade für Aktivitäten des MfS?

Wurde die Zusammenarbeit zwischen Stasi und RAF noch einmal belebt, als die DDR und die RAF eigentlich schon tot waren oder wurde das an einem Handtuch gefundene Haar des später, 1993, in Bad Kleinen ums Leben gekommenen Terroristen dort platziert?

Es scheint so. Die Stasi war am 3. Oktober 1990 erledigt. Unwesentliche Teile blieben in ihrer losen Struktur erhalten. Der Krake war zerschlagen, obwohl Typen wie  Werner Großmann das nicht wahrhaben wollten. Die Stasi wusste das Jahre zuvor.

Alles drehte sich in diesen Tagen der wilden Wendezeit gegen Rohwedder und um das VEB Robotron, um die zahllosen Betriebe, die einfach für einen jeden Wirtschaftsprozess zu marode waren, als dass sie überhaupt noch hätten weitergeführt werden können. Die noch zu sanierenden Betriebe hatte Rohwedder ausländischen Investoren angeboten.

Zahlloses Vermögen ehemaliger Stasiseilschaften war in Betrieben oder in Immobilienbesitz versteckt, den die Operateure des Systems abstoßen wollten, sobald sich eine Gelegenheit dafür bot.

Robotron war ein finsterer Vertreter der DDR.

Schon zu DDR-Zeiten es gab zahllose Firmen im Westen, die die Cocom Embargo-Vorschriften umgingen. Das Geschäft mit Embargoware versprach hohe Gewinne.

Skrupellose Gestalten gab es auch in den 1980er-Jahren. Den Ost-Hochtechnologie-Konzern, der alles aus dem Westen zu kopieren vermochte.
Viele der Embargogüter wurden damals über Griechenland nach Bulgarien und von dort aus mit dem VEB Deutrans nach Dresden versandt. So ganze Hochleistungscomputer aus dem Westen, die dann in Robotronschränke eingepasst wurden und als Errungenschaft des völlig maroden Sozialismus verkauft wurden.

Was wurde aus den Mitgliedern der RAF, die seit Jahren als vermisst gelten, oder gar als tot?
Gibt es oder gab es einen Zusammenhang mit dem Mord an Alfred Herrhausen, dessen Sprengfalle hochtechnisiert gegen das eher simple Handeln der RAF wirkte?
Wurden die Lichtschranken bei Robotron gefälscht, die später Alfred Herrhausen, kurz nach der Wende, umbrachten?

 

Irgendwann Mitte/Ende der 1990er-Jahre wurde die Ermittlungskommission Rohwedder aufgelöst. Man hatte nur die RAF-Spur verfolgt. Die anderen Spuren schienen zu absurd, um sie überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Bis heute ist nicht klar, wer die 3. Generation der RAF überhaupt war oder ist, zumal die RAF-Rentner, trotz Auflösung 1998, bekanntlichermaßen seit Jahren ihre Rente mit Überfällen auf Geldtransporter verdienen.

Über die Stasi reden nur noch wenige, die junge Generation kennt die Auswirkungen der deutschen Teilung nicht mehr.

Nun, wer waren die Mörder, die den damaligen Treuhandchef meuchelten? Es scheint, als sei Rohwedder das Bauernopfer der jungen, wiedervereinigten Republik gewesen.

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