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Der Darknetreporter

Der letzte im Darknet macht das Licht aus – der Bust von „Wallstreet – Market“

ofjhb/scdt
Nun hat es einen der Riesen im Darknet erwischt.

„Wallstreet Market“ (WSM) Nach dem plötzlichen Abschalten von Dream Market, dem ältesten und wahrscheinlich erfolgreichsten Händler dieser Art zum 30.4.2019 aus noch nicht näher bekannten Gründen, war Wallstreet Market der Markt für den digitalen Untergrund. Die Abwicklung wurde in Englisch, Deutsch, Portugiesisch, Spanisch, Französisch und Italienisch geführt, was auf die Internationalität des Marktes hinweist. Neben den Hauptkategorien Drogen, Fälschungen (darunter wohl auch Greenbacks aus Nordkorea-Produktion), gestohlene Güter, Betrug und Malware, wurden auch Links auf pornografische Inhalte gesetzt. Zudem lassen sich durch den Vertrieb zahlreicher gefälschter Papiere die Wege der Hehler enttarnen. Auch soll es durch Links in den Hinterhöfen der Verkäufer möglich gewesen sein, Waffen zu kaufen, oder Tötungen in Auftrag zu geben. Darüber schweigt sich die Information derzeit aus.

 

 

Screenshot BKA, 2019

In den „Verkaufsständen“ sollen sich auch zahlreiche regierungsnahe Organisationen von sogenannten Schurkenstaaten befunden haben, die im Drogenhandel ihr Glück versuchen. Dabei wurde sicherlich gegen Embargobestimmungen und anderes verstossen.
Zudem wurde in der Operation auch der Silkkitie, der als Valhalla Marketplace bekannte Untergrundmarkt durch die finnische Polizei in enger Zusammenarbeit mit den französischen Behörden geschlossen. Europol koordinierte die gesamte Operation.
Valhalla Marketplace war durch AlphaBay und HansaMarket mit WSM verbunden, die Verkäufer wechselten sich ab. Valhalla Marketplace war 2013 entstanden und bot eher ein kleines Nischensortiment in dem Bereich an. Es hatte zum Schluss ca. 28.000 Angebote. Über den Admin SpeedStepper waren Valhalla und auch WSM mit dem am 30.4. geschlossenen Dream Market verbunden. WSM machte auch Werbung über das soziale Netzwerk Reddit.

Zudem soll das Kokain in Europa über den Verkaufskanal WSM aus venezolanischer Produktion sein und aus Lieferungen über die Kanaren (die sogenannte Südroute) stammen, wie man aus gut informierten Kreisen erfährt. Mindestens 40 Tonnen der im Grenzgebiet zwischen Kolumbien und Venezuela produzierten ca. 160 Tonnen Kokain jährlich gehen nach Europa. Maduros grausames Regime finanzierte sich zum Teil über die Drogenverkäufe, die die Mafia über die Kanaren und den Senegal, Guinea-Bissau, schleuste. Ob die mobilen Drogenhändler in Hamburg und Bremen zu dem Liefernetzwerk gehören, muss sich erst durch weitere Ermittlungen zeigen. Denkbar ist es, dass die Untergrundhändler auch als Großhändler für Dealer in z.B. Hamburg St. Pauli agierten.

Darknet Dealer Wallstreet Market, US Gov. 2019

Onionnet – kriminelle Zwiebel

Das Darknet – unendliche Weiten innerhalb der „kriminellen Zwiebel“, die eigentlich einst als Hilfsmittel für Journalisten und Aktivisten gedachte Plattform gegen Diktaturen und Regimes wurde schnell zu einem Ort, wo mit Waffen und kinderpornografischem Material, Drogen der repressiven Regimes und Geldwäsche agiert wurde. Über Tor-Netzwerke kommen die Besucher des Untergrundmarktes anonym in die Märkte und hinterlassen kaum Spuren, da die Bezahlung zumeist über digitale Währungen ausgeführt wird.

Während ein sogenannter „Exit Scam“ von den Betreibern, die gleichzeitig als Treuhänder für die Gelder der Kunden und Lieferanten agieren, ab dem 23. April durch vorgeschobene Wartungsarbeiten der Plattform, gemutmaßt wurde, griffen die Ermittler zu, ehe sich das Betreiber-Trio abgesetzt hätte. Zwischen dem 22. und dem 26. April 2019 wurden bis zu 30 Millionen Euro in verschiedene virtuelle Konten verschoben. Die Zeit drängte so, dass der Untersuchungsrichter den mittlerweile nach Deutschland abgereisten Mitarbeiter des FBIs am Telefon über seine Erkenntnisse einschwor, um die Haftbefehle zu erlassen.

Aber wie kamen die Ermittler auf die Spur der Betreiber? Natürlich über die Busts von Dream Market, AlphaBay, Darknet Heroes League, Nucleus Market, aber auch über gewöhnliche Ermittlungsarbeit.

 

In Florida eskalierte die Situation

Seit September 2018 war es den Ermittlern gelungen, zwei der Hauptverkäufer zu identifizieren: ladyskywalker und Platinum45 – erstere arbeitete in der verzahnten Welt des digitalen Untergrundes gleich auf mehreren Plattformen, im hauptsächlichen Feld von Fentanyl. Zu diesem Zweck wurde eine Scheinadresse zum Ordern der illegalen Güter durch die involvierten US-Behörden eingerichtet.

Zur gleichen Zeit wurde der später beschuldigte Händler für Drogen aller Art Platinium45, der mit seinen Sendungen die ganze Welt versorgte, hauptsächlich Australien und Deutschland, ins Visier genommen. Platinium45 warb damit, dass er bis zu 1000 Gramm Amphetamine in einer Sendung liefern konnte.
Es kam zu einem Todesfall in Florida, der aus der Lieferung eines Fentanyl-Nasensprays durch den Verkäufer mit dem Spitznamen U4IA (Schoenman Case/State of Wisconsin) resultierte, der auf WSM seine Güter feilbot. Mittlerweile wurde U4IA zu einer 12-jährigen Haftstrafe verurteilt. Es soll noch mehrere Todesfälle geben.
Das FBI in Los Angeles wurde aktiv. Unter einem Tarnnamen kauften Mitarbeiter der Bundesbehörde bei fullz einen Satz Papiere, die gefälscht waren, um die Herkunft besser einschätzen zu können. Im September 2018 wurde durch das FBI von Professor Dark ein mittelmässiger Spytech SpyAgent Keylogger (vermutlich aus nordkoreanischer Produktion) gekauft.

 

Die Spur führte zurück zu dem ehemaligen Markt German Plaza Market (GPM), der im September 2015 startete und im Mai 2016 durch einen Exit-Scam beendet wurde. Durch diese Informationen wurde festgestellt, dass die Wallet2 für Bitcoins auf ungefähr 3374 Bitcoins ( 17.190.589,65 Euros) geschätzt werden konnte. Aber schon im Mai 2015 wurde eine Wallet1 angelegt. Aus dieser Wallet wurden von WSM 206 Bitcoins transferiert, als GPM noch am Markt war. Eine dritte Wallet diente nur noch als Rückversicherung für die Behörden. Diese führte dann zu den Beschuldigten.

In den USA traf es Marcos Paulo De Oliveira-Annibale, 29, aus Sao Paulo, Brasilien, der mit seinem Spitznamen Med3lin eine gewisse Berühmtheit erreicht hatte, wegen Geldwäsche und Drogenhandel. Die Spuren sollen zu dem beinahe legendären Markt Silk Road zurückführen, den die Ermittler schon vor Jahren schlossen.
Weitere Ermittlungsverfahren wurden gegen einen Computerprogrammierer Tibo Lousee, (coder420, codexx420) aus Kleve, Klaus-Martin Frost (TheOne, The_One, dudebuy) und einen gewissen Jonathan Kalla (Kronos) eingeleitet. Frost benutzte seinen Spitznamen schon auf Hansa Market. Zudem benutzte der Beschuldigte Frost, eine weitere Wallet, um Spiele zu zahlen, die wieder zurück in das Jahr 2016 führten, dabei gab er seine Mail-Adresse an: klausmartin.frost@web.de Unter dem Aktenzeichen 19MJ1843 erhob die USA Anklage gegen die Betreiber, die das Geschäft seit Oktober 2016 betrieben haben sollen. Hier steht Geldwäsche im Raum. Dies wurde über Bitcoin und Monero bewerkstelligt. Nun wurden die Haftbefehle vollstreckt.
Marcos Paulo De Oliveira-Annibale soll ein Bindeglied zwischen der Drogenmafia und dem Darknet gewesen sein. Sein Spitzname alleine reicht, um seine Absichten zu durchschauen und die seiner Auftraggeber.
Vorab, es ist nur eine Frage der Zeit, ehe es den nächsten Untergrundhändler erwischt. Wahrscheinlich wurde Wallstreet Market unwissentlich in den letzten Tagen zu einem Honeypot, aus dem sich die Ermittler nun bedienen können.

Zur gleichen Zeit, Anfang 2018, ermittelte das BKA den WSM Virtual Currency Server der Beschuldigten unabhängig vom FBI oder der DEA. Es wurde klar, dass sich die Infrastruktur des WSM in Deutschland befand, sich nach den Niederlanden erstreckte, wo ein zweiter Server stand.

 

Wallstreet Market wurde in einer konzertierten Aktion des BKAs, des amerikanischen Bundeskriminalamtes FBI und der niederländischen Polizei hochgenommen. Dazu waren seit 2017 auch zahlreiche andere Behörden in den USA eingeschaltet. Die US Drogenfahndungsbehörde DEA, Immigration and Customs Enforcement, Homeland Security
Investigations, Internal Revenue Service waren zudem in die Aktion eingebunden.

Drei der Beschuldigten wurden in Deutschland verhaftet, zwei andere in den USA, wie die zuständige Staatsanwaltschaft in Los Angeles mitteilte. Hier wurden zwei Dealer hochgenommen, die als Hauptlieferanten fungierten. Millionen in Bargeld seien bei diesen Verhafteten gefunden worden. Weitere Verhaftungen und Razzien in Europa sind angekündigt.
Koks, Heroin, Cannabis und Amphetamine, falsche Ausweise und Kreditkarten – ausgespähte Daten, gefälschte Dokumente und Schadsoftware. Die Betreiber von Wallstreet Market erhielten von jedem Verkauf Provisionen in Höhe von zwei bis sechs Prozent des Verkaufswertes.

 

Die Zahl der in dem Forum angemeldeten Verkäufer lag bei rund 5420. Die Zahl der Verkaufsangebote lag bei mehr als 60.000 und die Ermittler stellten 1,1 Millionen Kundendaten auf den beschlagnahmten Computern und Datenträgern fest. Zudem wurden 550.000 Euro Bargeld und etwa eine 1 Million Euro in Bitcoins beschlagnahmt. Zahlreiche teure Fahrzeuge wurden sichergestellt. Schlussendlich auch eine Schusswaffe, die nicht näher bezeichnet wurde.

Seit Jahren, seit dem Bust von AlphaBay und HansaMarket, wurde gegen die Betreiber der Plattform ermittelt. Zum Teil nutzten die Ermittler die Erkenntnisse aus dem Honeypot, um an die im digitalen Untergrund verzahnten Strukturen heranzukommen. Eine große Hilfe dabei war das RLT, Real-Life-Treffen, also die Übergabe der Drogen, die nur in der realen Welt geschehen konnte. In vielen Fälle ging es nicht mehr, die Ware per Post oder Paket zu versenden. Dieser Zuteilungsweg ist der übliche Schritt der Lieferung, um in der Anonymität zu bleiben.

Es wird damit gerechnet, dass in den nächsten Tagen weitere Darknet Märkte regelrecht explodieren.

 

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