Sprachlos
Einer unserer Leser brachte uns diese Reportage, an der wir Wochen arbeiteten, bevor wir diese nun zum Wochenende veröffentlichen.
Mit von der Partie war ein Anwalt, der zunächst auch nicht glauben wollte, was wir erlebten, wir und der Verkäufer und ein fast „märchenhafter Käufer“.
Eigentlich begann die Geschichte vollkommen harmlos.
Eine große Gewerbefläche sollte verkauft werden. Ein alltäglicher Akt in Europa.
Der Makler schaltete Anzeigen in diversen einschlägigen Portalen und Zeitschriften.
Objekt zu verkaufen
Nach einer schweren Herzoperation war es dem Eigentümer nicht möglich zu reisen. Erst rief ihn ein Investor aus den Niederlanden an, dann kam ein
„Inaugenscheinnehmer“ aus Großbritannien, dem es überhaupt nicht recht war, dass Dritte noch mit von der Partie waren.
Man traf sich am Objekt und dort wurde durch die Hintertür erklärt, dass vor dem Brexit noch dringend Geld aus dem UK abgezogen werden sollte. Es ergab Sinn, was der Unbekannte erzählte.
Der junge Mann schien nicht unbedingt besonders interessiert an der zu verkaufenden Immobilie, sondern er blickte sich ganz gezielt um. Fragen zu dem Preis hatte er nicht mehr.
Nach kurzer Zeit und einem Kaffee wollte er dann wieder zu dem nächsten Termin, der angeblich im Benelux stattfinden sollte. Die ganze Angelegenheit versandete dann einmal in den nächsten Tagen, da die angebliche Käufergruppe forderte, dass die Verkäufer ins benachbarte Ausland kommen sollten, um dort das Geschäft abzuwickeln.
Dem Verkäufer, einem älteren Herrn, kam die ganze Angelegenheit „spanisch“ vor. Deshalb nahm er Abstand davon. Aber das war nur der Auftakt.
Das Geschäft der Ripper
Kurz darauf gab sich die internationale Prominenz die Ehre.
Der persönliche Sekretär von einem der Gettys rief an. Getty Investment Gesellschaft, meldete er sich. Der Besitzer war schwer gebauchpinselt, obwohl niemand sich wirklich erklären konnte, was gerade ein Getty mit einer Gewerbefläche wollte.
Beim zweiten Kontakt übte F. üblichen Druck auf seinen Gesprächspartner und versuchte immer wieder auf die Modalitäten zu sprechen zu kommen. Das Objekt interessiert ihn nur beiläufig.
Allerdings fiel gleich auf: Frech und dreist insistierte der angebliche Nadjib F. in den privaten Angelegenheiten des Verkäufers. Seine Stimme war ruhig, er war nicht sachlich. Sein Deutsch erbärmlich. Allenfalls überheblich. Er log, machte die Begleiter des Anwaltes, der F. zu diesem Zeitpunkt noch glaubte, schlecht.
Um später besser erpressen zu können, aber das ahnte niemand der Beteiligten zunächst. F. wollte alles wissen, nicht nur normale Informationen, sondern er wähnte den „dicken Fisch am Haken„.
Dann kam der Held an Telefon, ein gewisser Herr Getty mit slawischem Akzent, wahrscheinlich Serbe oder Rumäne, und schlug Barcelona als Treffpunkt der Transaktion vor. Sie wollten kaufen, keine Verhandlung mehr, nur noch die Modalitäten, versicherte der eben eingejettete „Pseudo Getty“ salopp. Er ist ein gewohnter Schauspieler.
Angeblicher Mark Getty am spanischen Prepaid-Handy
Der Mann ist ein gut geschulter Betrüger, dem die Argumente niemals ausgehen. Mit seinem serbokroatischen Akzent, seinen wahrscheinlich in den 1990-er Jahren in Österreich erworbenen Kenntnissen der deutschen Sprache, versucht der Anrufer zu glänzen. Die Firma, eine Consultingfirma im Londoner Westen, gibt es nicht.
Alles, was F. ausmacht, ist eine aus Belgrad gebuchte Adresse bei Google.
Hierzu soll Geld getauscht werden, Schweizer Franken in Euro-denn der, der die Käufer angeblich als Prokurist vertrat, habe ganze Investmentfonds in der Schweiz beendet, und wollten nun das Geld wieder reinvestieren.
Ein seltsames Fax einer angeblich Deutschen kam, Dutzende von Fehlern aus einem Briefkastenbüro in der britischen Metropole.
Geld spielt keine Rolex
Treffpunkt mit dem falschen Herrn Getty sollte ein Hotel in der Innenstadt von Barcelona werden, in Carrer de Pere, das Sky Melia. Für einen Getty eher ein magerer Platz, zumal sein Angestellter, Herr F., ihn und sich von einem Prepaid-Handy telefonieren ließ.
Die Händler wollten alles wissen, einzelne Details über ihre potenziellen Opfer, wo sie Geld rochen.
Es schien, als hätten sie besonders fleißig gearbeitet und ihre Hausaufgaben zuvor erledigt. Schnell war das Interesse an dem Objekt verflogen, nicht mehr gehandelt. Auch interessierte es die „Rip off Händler“ nicht, wie das Objekt eigentlich aussah, kein Gutachter, sie begnügten sich mit ein paar Bildern. Eigentlich hatten sie die Katze noch nicht aus dem Sack gelassen. Ihr Deal war das Kopplungsgeschäft.
Darauf fielen die Verkäufer nicht herein, leider aber unzählige Deutsche zuvor.
Deutsche werden über Immobilien Portale angelockt, die Gruppe um den falschen Getty lockt mit einem Kaufvertrag, den kein normaler Mensch eingehen würde, aber da muss noch Geld gewechselt werden. Schweizer Franken in Euro, ein kleines Geschäft zum Vertrauensaufbau wird gemacht. Dann wollen die Käufer das Geld noch vor dem Notartermin tauschen. Ein weiterer Treffpunkt wird vereinbart, dann geht alles in der Hotelhalle ganz schnell-in der Hektik nehmen die Täter die Euros an sich und geben in einem Koffer Falschgeld zurück. Dann verschwinden sie, so schnell sie können. Zurück bleiben die Opfer, die ein paar wertlose Kopien in der Hand haben.
In Barcelona tummeln sich die Verkäufer der falschen Schweizer Franken, seitdem sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Geschäfte in Mailand und Turin zu kontrollieren. Die italienische Polizei ist nach Tausenden von Deals, die in der Stadt stattgefunden haben, bei denen ein Millionenschaden entstand, gewarnt.
Wenn die Opfer in letzter Sekunde die Gefahr wittern, entreißen die Täter die Euros und verschwinden blitzschnell. Es kann zu Verletzungen führen.
Die schrecklich nette Nikolic Familie
Die letzten Bilder der spanischen Polizei in diesem Zusammenhang erreichten uns kurz vor Veröffentlichung. Nun ermittelt der Staatsanwalt gegen den falschen Getty und seinen Helfer F.
Niemals Bargeldgeschäfte im Ausland machen.
Nur über den Notar vor Ort agieren.
Wenn Prominente sich vertreten lassen, Vollmacht nachfordern, auch diese können zu einem deutschen Notar gehen, wenn sie ein Objekt haben wollen.
Niemals mit Geld reisen.
Auf die Warnsignale achten, wenn die Käufer nicht handeln, sondern Modalitäten absprechen wollen. Zu einem Hausverkauf kann man einen Vorvertrag per Fax fordern, der Rest kann beim Notar ausgehandelt werden.
Das Bayerische LKA hat dazu eine Liste erstellt.
Wenn weitere Leser eine solche Geschichte erlebt haben, schreiben Sie bitte an gamma@fn.de